Entrepreneurship umfasst sowohl das Nutzen unternehmerischer Chancen und den kreativen, gestalterischen Prozess in Organisationen oder Phasen unternehmerischen Wandels als auch eine wissenschaftliche Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre.
Die Entrepreneurship-Forschung ist interdisziplinär und verwendet neben betriebswirtschaftlichen Theorien auch Ansätze aus der Volkswirtschaftslehre, Geografie, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft – neuerdings auch aus der Kunst, den Design-Wissenschaften und der Biologie.
Die Rolle des Unternehmers: Warum ist sie wichtig?
Lange Zeit wurde der Unternehmer in ökonomischen Theorien vernachlässigt. Erst im 20. Jahrhundert rückte die Rolle des Unternehmers stärker in den Fokus der Theoretiker. Verschiedene Definitionen des Begriffs "Entrepreneur" führten zur Entstehung unterschiedlicher wissenschaftlicher Schulen. Einige einflussreiche Vertreter der Ökonomie und ihre Definitionen des Unternehmers sind:
Cantillion (1734): Cantillion sieht den Entrepreneur als profitgetriebenes Individuum, das Risiken übernimmt und Güter günstig erwirbt, um sie teurer zu verkaufen.
Say (1816): Say betont die Organisation des Produktionsprozesses durch Kombination der drei Produktionsfaktoren Land, Kapital und Beschäftigung.
Knight (1921): Knight definiert den Unternehmer als Träger von Ungewissheit, der sich unkalkulierbaren Risiken stellt.
Schumpeter (1934): Schumpeter stellt den innovativen Aspekt des Entrepreneurs und das Konzept der "schöpferischen Zerstörung" in den Vordergrund.
Kirzner (1973): Kirzner sieht den Unternehmer als Nutzer von Arbitragemöglichkeiten, der unvollständige Informationen auf Märkten zu seinem Vorteil nutzt und ein neues Marktgleichgewicht schafft.
Diese verschiedenen Definitionen vermitteln ein umfassendes Bild der vielfältigen Funktionen, die ein Unternehmer ausüben kann.
Welche Persönlichkeitsmerkmale zeichnen einen Entrepreneur aus?
Die Forschung zur Gründerpersönlichkeit zeigt, dass sich Entrepreneure durch bestimmte Charakteristika von abhängig beschäftigten Personen unterscheiden. Einige dieser Eigenschaften sind:
Leistungsmotivstärke:
Entrepreneure besitzen den Willen, Leistung zu erbringen und sich mit beruflichen Herausforderungen auseinanderzusetzen, die realisierbar sind.
Internale Kontrollüberzeugung (Selbstwirksamkeit, resp. Machbarkeitsüberzeugung):
Entrepreneure glauben, für ihr eigenes Schicksal und die Ergebnisse ihres Handelns selbst verantwortlich zu sein und dies aktiv beeinflussen zu können.
Unabhängigkeitsstreben:
Entrepreneure haben den Drang, sich von Autoritäten unabhängig zu machen und sich selbst zu verwirklichen.
Problemorientierung:
Entrepreneure fokussieren sich auf die primären Einflussfaktoren eines Projektes, um analytisch und intuitiv mit Nicht-Routine-Aufgaben umgehen zu können.
Risiko- und Ungewissheitstoleranz:
Entrepreneure sind bereit, sich Umweltsituationen mit ungewissem Ausgang auszusetzen und besitzen die Fähigkeit, derartige Situationen angemessen bewältigen zu können.
Belastbarkeit:
Entrepreneure sind physisch widerstandsfähig und bleiben unter Druck leistungsfähig.
Emotionale Stabilität:
Entrepreneure verfügen über psychische Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit, Frustrationen schnell zu verarbeiten.
Durchsetzungsbereitschaft (Dominanzbedürfnis):
Entrepreneure haben den Willen, andere zu führen.
Soziale Anpassungsfähigkeit:
Entrepreneure passen sich nicht nur als Führungspersönlichkeit an, sondern auch gegenüber Kunden und Lieferanten.
Wie beeinflussen Umfeldfaktoren die Gründung von Unternehmen? Die Entrepreneurship-Forschung hat verschiedene Umfeldfaktoren identifiziert, die die Gründungsintensität, den Gründungserfolg und die konkrete Ausgestaltung einer Unternehmensgründung beeinflussen:
Marktgröße und -wachstum:
Beide Parameter beeinflussen die Anzahl der Unternehmensgründungen in einem Industriezweig positiv.
Unsicherheit durch technologischen Wandel:
Unsicherheit in diesem Bereich senkt die Gründungsrate in einem Industriezweig.
Hoher Kapitalbedarf:
Ein hoher Kapitalbedarf wirkt als Markteintrittsbarriere.
Wettbewerbsdichte:
Ein Markt mit wenigen Unternehmen signalisiert einem Entrepreneur geringe unternehmerische Möglichkeiten oder eine schlechte Informationslage. Ein schnell wachsender Markt erhöht die Attraktivität für junge Unternehmen, aktiv zu werden. Mit zunehmender Marktdichte steigt jedoch auch der Wettbewerb um knappe Ressourcen, was sich als Eintrittsbarriere auswirken kann.
Institutionelle Rahmenbedingungen:
Günstige regionale oder branchenspezifische Bedingungen beeinflussen Unternehmensgründungen positiv. Beispiele hierfür sind günstige Kredite, die Verfügbarkeit von Venture-Capital, aber auch private und unternehmenssteuerliche Aspekte.
Durchsetzbarkeit gewerblicher Schutzrechte:
Stabile Bedingungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes ermöglichen es Entrepreneuren, ihre Bemühungen adäquat vergütet zu bekommen.
Technologie-Transfer Büros im Umfeld von Forschungseinrichtungen und Universitäten:
Innovationen werden mit Unterstützung dieser Einrichtungen über neugegründete Unternehmen an den Markt gebracht.
Soziokulturelle Faktoren:
Die Bewertung der Attraktivität einer unternehmerischen Tätigkeit und die Bewertung des Risikos, mit einer Geschäftsidee zu scheitern, unterscheiden sich innerhalb sozialer und ethnischer Gruppen.
Welche Rolle spielen strategische und organisatorische Faktoren im Entrepreneurship? Strategien und Organisationsformen sind weitere zentrale Bereiche der Entrepreneurship-Forschung. Dazu zählen:
Geschäftsmodell-Innovation:
Die Entwicklung und Implementierung neuer Geschäftsmodelle trägt maßgeblich zum Erfolg von Start-ups bei.
Ressourcenallokation:
Die effiziente Verteilung und Nutzung von Ressourcen ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit junger Unternehmen.
Netzwerkbildung:
Entrepreneure benötigen ein solides Netzwerk aus Geschäftspartnern, Kunden, Lieferanten und Investoren, um ihre Geschäftsideen erfolgreich umzusetzen.
Unternehmenskultur und -führung:
Die Etablierung einer motivierenden und zielgerichteten Unternehmenskultur sowie eine effektive Führung sind entscheidend für den Erfolg von Start-ups.
Wie hängen die verschiedenen Faktoren im Entrepreneurship zusammen?
In der Entrepreneurship-Forschung wird zunehmend erkannt, dass die einzelnen Faktoren, wie Persönlichkeitsmerkmale, Umweltbedingungen, strategische und organisatorische Faktoren, miteinander interagieren und in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Auswirkungen haben. Eine ausschließliche Konzentration auf die Persönlichkeit eines Gründers greift daher in vielen Fällen zu kurz und verhindert einen weiten oder umfassenden Erkenntnisgewinn. Aktuelle Forschungsprojekte ziehen deshalb zumeist kontextabhängige Variablen, d.h. Umfeldfaktoren, zur Erklärung unternehmerischer Phänomene mit heran. Zusammenfassend zeigt die Entrepreneurship-Forschung, dass sowohl die Gründerpersönlichkeit als auch die Umweltfaktoren und die strategischen und organisatorischen Faktoren entscheidend für den Erfolg eines Entrepreneurs sind. Dabei ist es wichtig, die Komplexität der verschiedenen Faktoren und ihre Wechselwirkungen zu berücksichtigen, um ein umfassendes Verständnis von Entrepreneurship zu erlangen.
Welchen Einfluss haben strategische und organisatorische Faktoren auf das Entrepreneurship?
Neben Gründerpersönlichkeit und Umweltfaktoren spielen auch strategische und organisatorische Aspekte eine wichtige Rolle in der Entrepreneurship-Forschung. Dazu gehören beispielsweise Fragen zur Finanzierung von Unternehmen, insbesondere durch Venture-Capital-Gesellschaften und Business Angels, sowie deren Finanzierungsverhalten in Bezug auf Investmentauswahl, Risikoeinschätzung, Überlebensfähigkeit und Wachstum von Start-ups.
Im Bereich der Organisationsforschung liegen Ergebnisse zur Rechtsformwahl und deren Auswirkungen auf die Unternehmensentwicklung sowie zur angemessenen Strategiewahl vor. Die Erforschung von Gründerteams und deren soziale Herkunft bildet weitere Forschungsschwerpunkte. Hier hat sich gezeigt, dass Gründerteams oft erfolgreicher sind als Einzelgründungen.
Welche Entwicklung gibt es in der Entrepreneurship-Forschung?
Aktuelle Trends und Teildisziplinen in der Entrepreneurship-Forschung
Seit den 1980er Jahren hat sich die Entrepreneurship-Forschung kontinuierlich weiterentwickelt und segmentiert sich inzwischen in verschiedene Teildisziplinen, die jeweils eigene Trends setzen. Beispiele hierfür sind:
Social und Sustainable Entrepreneurship:
Hier steht das soziale bzw. nachhaltige Unternehmertum im Fokus, das gesellschaftliche oder ökologische Herausforderungen adressiert.
Corporate Entrepreneurship:
Diese Teildisziplin untersucht unternehmerisches Verhalten auf der organisationalen Ebene, etwa in etablierten Unternehmen.
Intrapreneurship:
Hier geht es um unternehmerisches Verhalten innerhalb bestehender Organisationen, das Innovationen und Veränderungen vorantreibt.
E-Entrepreneurship:
Die Gründung, Finanzierung und Entwicklung junger Unternehmen in der digitalen Wirtschaft stehen hier im Mittelpunkt.
Minority Entrepreneurship:
Dieser Forschungszweig beschäftigt sich mit dem Gründungsverhalten ethnischer Minderheiten und den damit verbundenen Herausforderungen und Chancen.
Regional Entrepreneurship:
Entrepreneurship-Studien mit regionalem Bezug untersuchen, wie lokale und regionale Faktoren das Unternehmertum beeinflussen.
Gender Entrepreneurship:
Diese Teildisziplin widmet sich dem Gründungsverhalten in Bezug auf Geschlechterunterschiede und die Rolle von Geschlecht in unternehmerischen Kontexten.
Die stetige Weiterentwicklung und Segmentierung der Entrepreneurship-Forschung trägt dazu bei, ein immer umfassenderes Verständnis von unternehmerischem Handeln und dessen Einflussfaktoren zu gewinnen und bietet wichtige Erkenntnisse für die Ausbildung und Unterstützung von Gründern in unterschiedlichen Kontexten.
Quelle: Text ist angelehnt an Ausführungen von Prof. Dr. Tobias Kollmann von der Universität Duisburg-Essen
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